Was tun bei Cellulite?
Cellulite – eine Frage der Sicht?
Die Beschaffenheit des weiblichen Körpers ist seit jeher Modeprägungen unterworfen. So nimmt es nicht wunder, dass das Weibliche beispielsweise bei Barockmaler Rubens erst so richtig feminin wurde, wenn die Oberschenkel seiner gemalten Schönheiten ordentliche Dellen aufwiesen. 1962 galt Hollywood-Beauty Ursula Andress in „James Bond jagt Dr. No“ als weibliches Sexsymbol – trotz oder gerade wegen ihrer angebeulten Hüften.
Erst Anfang der 70er Jahre wurde aus dem typisch weiblichen Relief rund um das Gesäß ein kosmetisches Problem konstruiert. Und man fand auch einen wahrlich unattraktiven Namen dafür: Cellulite. Seitdem sind Hüftbetrachtungen vor dem Spiegel und der rituelle Zwei-Finger-kneif-Check am Oberschenkel bei Frauen mit Angst und Schrecken verbunden.
Problematische Zonen
Obwohl Cellulite keine Krankheit ist, so ist es doch eine ungerechte Kapriole der Natur, dass eigentlich nur Frauen von der Orangenhaut heimgesucht werden. Gerade an den Partien des Körpers, die als besonders weiblich gelten, tritt die unschöne Waffelmuster-Kontur auf – Oberschenkel, Po, Hüften, Bauch, aber auch die Oberarme können betroffen sein.
Warum nur Frauen? Dr. Elisabeth Schuhmachers, Fachärztin für Dermatologie in München erklärt: „Das weibliche Fettgewebe ist, anders als das männliche, von Bindegewebsfasen durchzogen, die es in kleine Kammern unterteilt. Durch weibliche Geschlechtshormone kommt es bei Frauen zu einer stärkeren Fett- und Wassereinlagerung. Dadurch wölben sich die durch die Bindegewebsfasen unterteilten Fettläppchen vor und es kommt zu der typischen Dellenbildung.“
Fettgewebe drängt also „nach oben“. Man kann sich das in etwa so vorstellen: Fettzellen, die im Unterhautgewebe liegen, sollten eigentlich von den darüber liegenden Bindegewebsfasern in Zaum gehalten werden. Diese äußerst dehnbaren Fasern verlaufen parallel und senkrecht zur Hautoberfläche, fast wie Gefängnisgitterstäbe. Wenn nun die Fettzellen sich weiten oder vermehren (wie zum Beispiel während einer Schwangerschaft), quetschen sie sich Richtung Oberfläche an den Bindegewebsfasern vorbei. Dadurch entsteht dieses typische noppenförmige Relief der Haut.
Auch eine Sache der Hormone
Unglücklicherweise spielen bei den Hautveränderungen im Golfballmuster auch die Veranlagung (schwache Bindegewebsstruktur ist erblich) und die weiblichen Hormone (Östrogen fördert die vermehrte Fetteinlagerung bei Frauen an Po, Oberschenkeln und Hüften) eine wichtige Rolle. Deswegen ist es nicht überraschend, dass selbst sehr schlanke Frauen, die viel Sport treiben und sich gesund ernähren, Orangenhaut bekommen können.
Männer ereilt das Orangenhaut-Phänomen schon alleine deswegen nicht, weil ihre Fettkammern viel kleiner und straffer sind. Außerdem verläuft das männliche Bindegewebe an den entsprechenden Stellen eher netz- als gitterstabförmig. Dieses Fasernetz verleiht mehr Stabilität. Lediglich Herren, die einen Mangel an männlichen Sexualhormonen (Androgene) haben, leiden bisweilen unter Cellulite.
Risikofaktor Lebensstil
Aber natürlich darf man die unhübsche Dellenbildung nicht nur auf die Veranlagung schieben. Das wäre zu einfach. Wenn frau sich nicht bewegt oder zu Übergewicht neigt, kann das bereits in jungen Jahren die Entwicklung von Cellulite begünstigen. Denn oft gilt: Wo mehr Fett, da mehr Orangenhaut.
„Starke Gewichtsschwankungen unterstützen die Entstehung von Cellulite,“ so Schuhmachers.
„Deswegen sollten Frauen auch die Finger von Crash-Diäten mit anschließendem Jojo-Effekt lassen. Die verschlimmern Cellulite eher als dass sie ihr entgegenwirken.“ Außerdem warnt die Dermatologin: Gefäß verengende Substanzen wie Nikotin oder Alkohol fördern ebenfalls Orangenhaut, indem sie die Kollagenstruktur des Bindegewebes auf lange Sicht schädigen.
Anti-Cellulite: Was hilft?
Öle, Gels, Vitamine, Anti-Cellulite-Leggings, Massagen, Tees, Unterdruckbehandlungen, Hitzetherapien, spezielle Entschlackungs-Bäder, Thermowickel oder Stromtherapien – die Auswahl an Anti-Cellulite-Produkten scheint endlos. Allerdings: An unabhängigen, wissenschaftlichen Belegen für einen therapeutischen Effekt mangelt es in den allermeisten Fällen. Bei manchen Produkten, so kritisieren Experten, sei es zum Beispiel zweifelhaft, ob ihre Wirkung überhaupt bis zur Unterhaut vordringen kann – dem Ursprungsort der Cellulite. Ein positiver Effekt beruhe womöglich nur darauf, dass das Gewebe beim Auftragen fleißig massiert und damit besser durchblutet wird. Ein Punkt gilt jedoch leider als sicher: Es gibt kein Mittel, das Cellulite von heute auf morgen wegzaubert.
Trotzdem lohnt es sich, alle Faktoren im Blick zu behalten, die frau beeinflussen kann. Zwar können viel Bewegung, Nikotinverzicht und eine gesunde Ernährung Frauen mit einer entsprechenden Veranlagung zur Orangenhaut nicht komplett von den ungeliebten Dellen befreien. Dennoch fühlen sich trainierte Oberschenkel und ein gestärkter Po gleich ganz anders an.
Auch die Expertin weiß: „Man sollte regelmäßig so genannte sanfte Sportarten wie Schwimmen, Yoga oder Radfahren wählen. Zu starke Erschütterungen wie beispielsweise bei Step-Aerobic sollten eher vermieden werden, da sie kleinste Risse in den elastischen Fasern verursachen können.“ Fazit: Alles, was den Stoffwechsel anregt und langfristig, aber sanft Muskeln aufbaut, ist demzufolge gut für die Gesamtkonstitution und kann zumindest die Intensität der Orangenhaut mindern. Dazu zählen neben Sport auch Wechselduschen oder Massagen mit einem einfachen Massagehandschuh – eventuell ergänzt durch pflegende Produkte. Auch eine langfristige Kalorienreduktion macht Sinn. Und wie sieht es mit chirurgischen Verbesserungseingriffen aus? Selbst hier kann man keine Wunder erwarten. Das weiß auch Dr. Schuhmachers. „Man darf sich nicht zu viel versprechen. Fettabsaugen kann unter Umständen schon etwas bringen. Denn wenn Fett reduziert wird, verbessert sich auch das Cellulitebild.“ Aber auch hier gilt laut der Spezialistin: „Ohne die richtige Ernährung und ein regelmäßiges Sportprogramm nützt der teuerste Eingriff nichts.“
Bester Tipp: Gelassenheit
Das Fazit der Spezialistin Schuhmachers: „Man kann Cellulite in seiner Ausprägung verbessern. Aber bis zu einem gewissen Grad muss man sich auch damit abfinden.“
Und das ist wahrscheinlich wirklich der beste Tipp: Den ganzen Dellenwahn etwas gelassener sehen! Und sich nicht den Sommer dadurch vermiesen lassen.
Denn egal, ob Jennifer Lopez, Eva Longoria oder Penelope Cruz – selbst die schönsten und wohlgeformtesten Frauen der Welt sollen zu den oben erwähnten 85 Prozent der „Bindegewebs-Geschädigten“ gehören.
erschienen in: Sandra Schmid / www.baby-und-familie.de; 27.04.2011, aktualisiert am 29.04.2011
W&B/Christine Schneider